Die Sache mit dem Bären
Im Wappen der "Bindlicher" (das ich aus rechtlichen Gründen leider nicht hier zeigen darf!)
prangt die goldene Rose derer von Guttenberg; und das geschwungene Messer steht als Symbol für den Heiligen Bartholomäus
- dem Namensgeber unserer weit über die Grenzen des Landkreises hinaus bekannten, barocken Dorfkirche.
Aber wenn man sich hier in der Gemeinde (vor allem im alten Dorf) ganz
genau umschaut, könnte der Beobachter schnell zu der Überzeugung kommen, dass die Schöpfer unseres
Wappens irgendwie ein drittes Symbol vergessen haben müssen: Den Bären!
Wo auch immer man hingeht - der "Bindlicher Bär" ist allgegenwärtig:
Fast kein Verein, der ihn nicht in der Standarte oder seinem (wie es auf Neudeutsch heißt) "Logo"
führt; und kaum eine Veranstaltung, wo der Bär nicht freundlich vom Plakat winkt, wenn er
nicht sogar als Ehrengast in Persona erscheint. Viele Uneingeweihte erschrecken sich regelrecht,
dass der Bär tatsächlich nicht im Gemeindewappen vorkommt, wo er doch im ganzen Umland das
Symbol für die Gemeinde schlechthin ist!?
Nun, dieses Mysterium zu lösen ist ebenso einfach wie kompliziert zugleich:
Was sich damals tatsächlich zugetragen hat, ließe sich mit zwei Sätzen
berichten; zumal sowohl die Namen der Beteiligten als auch die Orte der Ereignisse überliefert sind
und hier lediglich aus Gründen der Diskretion verschwiegen bleiben sollen.
Aber die bloße Aufzählung der bekannten Tatsachen würde dem Kult, den die Bindlacher mit viel
Augenzwinkern und einer gehörigen Portion Humor um "ihren Bären" betreiben, einfach nicht gerecht
werden. Und wenn man reihum die Alten im Dorf nach der wahren Geschichte fragt, dann ist
die eine Erzählung gar phantastischer als die andere!
Im Großen und Ganzen dürfte Anno 1886 aber in etwa folgendes passiert sein:
Wie alle Franken sind auch die Bindlacher ein Völkchen, dessen Freundschaft
man sich verdienen muss - die dann aber dafür um so herzlicher ausfällt. Soll heißen: Wer neu ins
Dorf kommt, der wird schon erst mal gründlich unter die Lupe genommen - man muss ja schließlich
wissen, mit wem man es hier zu tun bekommt.
Und wenn es sich dann bei den Neuankömmlingen erst um Zigeuner aus dem polnischen handelt, die noch
dazu einen angeblich zahmen Tanzbären zur Schau stellen - ja, dann ist doch nun wirklich
höchste Wachsamkeit angesagt!
Und das zurecht:
"Der Bär ist los!"
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Schreckensnachricht im ganzen Tal.
Jede andere Gemeinde hätte sich angesichts der frei herumrennenden,
reißenden Bestie jetzt in ihren vier Wänden verschanzt und nach der Miliz aus Bayreuth geschrien.
Aber doch nicht wir Bindlacher!
Statt dessen rafften die gestandensten Mannsbilder der Gemeinde all ihren Mut zusammen und
veranstalteten - bewaffnet mit allem von der Mistgabel bis zum Vorderlader - quer durch das Dorf
eine regelrechte Treibjagd auf den armen Bären.
Nun ist so ein ausgewachsener Braunbär nicht gerade die Stecknadel im
Heuhaufen, und damals maß Bindlach auch noch keine 37 qkm. Die Jagd war also nur von kurzer
Dauer, und alsbald hallten die Schüsse der Gewehre und das Triumphgeschrei der Jäger vom
Bindlacher Berg wieder: Hurra - Das Monster ist erlegt!
Jedoch: Als die mutigsten der Bärentöter endlich ihre Beute aus der Nähe
inspizierten, da stellte sich heraus, dass man beileibe keinem menschenfressenden Ungetüm den
Gar ausgemacht hatte - sondern bloß einem armen Rindviech, das sich von der Weide ins Dorf verirrt
und dabei ein paar zum trocknen aufgehängte Bauernröcke von der Leine gerissen hatte!
Jede andere Gemeinde hätte sich angesichts dieser Blamage in Grund und
Boden geschämt. Aber doch nicht wir Bindlacher!
Na gut, der Bär war gar keiner. Aber: Sich selbst von der größten Gefahr nicht einschüchtern zu
lassen, sondern als Gemeinde zusammen zu halten und sich voller Mut der schweren, ja geradezu
lebensgefährlichen Bedrohung zu stellen - das soll uns ersteinmal einer nachmachen!
Natürlich machte die Geschichte von der beinahe gelungenen
Bärenjagd - wie jeder Tratsch! - schleunigst die Runde durch das ganze Umland, und seither werden
wir Bindlacher weit und breit nur noch "die Bärentreiber" genannt.
Diesen Spitznamen tragen wir nicht nur mit Fassung, sondern sogar mit
einer gehörigen Portion Stolz - und natürlich einem Schmunzeln um die Lippen: Denn nur, wer auch
über seine eigenen Fehler lachen kann, beweist wahre Größe!
Und wer jetzt meint, diese ganze Angelegenheit sei eigentlich doch zu peinlich;
und es wäre besser gewesen, kein Aufhebens darum zu machen - der fahre einfach mal 'rein nach Bayreuth
und frage einen der Ortsansässigen dort, wie die zu ihrem Spitznamen "Mohrenwäscher" gekommen sind.
Das ist nämlich wirklich peinlich!
Es bleibt noch die Frage zu beantworten, was eigentlich aus dem echten
Bären und seiner fahrenden Herrschaft geworden ist; aber darüber gehen die Meinungen arg auseinander.
Vermutlich haben sie gleich zu Beginn der Treibjagd das einzig Richtige getan und schleunigst das
Weite gesucht, um Schlimmeres zu verhindern. Nun, es ist ihnen hoffentlich wohl ergangen.
Für Bindlach aber war der Bär fortan ein Symbol des Mutes, der Stärke und der
Zusammengehörigkeit. Und so wurde er letztlich zum heimlichen, ungekrönten Wappentier und zum
Maskottchen der Gemeinde.
Und das ist er bis heute geblieben!
Nach mündlichen Überlieferungen erzählt und kommentiert von Dieter Rausch